Geschichte
Die Arbeitsweise Schlaffhorst-Andersen wurde um die Jahrhundertwende des 19. / 20. Jahrhunderts von Clara Schlaffhorst (1863 – 1945) und Hedwig Andersen (1866 – 1957) durch lebenslange Forschungsarbeit begründet.
Clara Schlaffhorst und Hedwig Andersen wurden in Ostpreußen geboren und lebten zu Beginn des
20. Jh. in Berlin. Sie waren über die Musik eng miteinander verbunden. Clara Schlaffhorst studierte als junge Frau Gesang in Berlin, nachdem ihr das Tanzen vom Vater verboten worden war. Hedwig Andersen studierte Klavier in Sondershausen. Durch das Gesangsstudium erkrankte Clara Schlaffhorsts Stimme, Hedwig Andersen litt zu dieser Zeit an einer Lungenerkrankung.
„Es war im Jahre 1898, als zwei Frauen von Memel nach Königsberg zu einem Hals-Nasen-Ohrenarzt fuhren, weil sie sich Hilfe für ihre erkrankten Stimmen erhofften. Nach eingehender Untersuchung geschah etwas Bemerkenswertes. Der Arzt, Dr. Kafemann, sagte: „Meine Damen, Sie atmen falsch!“, und gab ihnen statt einer medikamentösen Behandlung den Rat, anhand des Buches von Leo Kofler, „Die Kunst des Atmens“, ihre Atemfunktion zu ändern. Zwei Dinge sind hierbei bemerkenswert: einmal, dass an Stelle der medikamentösen Therapie der aktive Einsatz des Patienten, sein Sich-Ändern, gefordert wurde, und zum anderen das Wissen dieses Arztes um die Tatsache, dass Atem- und Stimmfunktionen eine untrennbare Einheit darstellen.“ (aus: Gertrude Schümann: „Atem, ein königlicher Weg der Heilkunde“, Vortrag, 1975)
So berichtete Gertrude Schümann (1898 – 2000), eine direkte Schülerin von Clara Schlaffhorst und Hedwig Andersen, auf einem Vortrag anlässlich einer Arbeitstagung der AfA und der Deutschen Psychotherapeutischen und Sozialmedizinischen Gesellschaft e.V. (PSG) im Jahr 1975.
Clara Schlaffhorst und Hedwig Andersen setzten sich also auf Rat ihres Arztes mit dem Buch “Die Kunst des Atmens“ von Leo Kofler auseinander, indem sie es vollständig aus dem Englischen ins Deutsche übersetzten und die Übungen weiterentwickelten. Clara Schlaffhorst spürte, dass Kofler-Übungen nicht willkürlich und mechanisch gemacht, sondern nur im natürlichen Lebensrhythmus durchgeführt werden dürften. Clara Schlaffhorst schrieb:
„Wir sind im Laufe dieser Jahre mit Staunen und wachsender Ehrfurcht gewahr geworden, dass es hier nicht nur eine rein technische Frage zu lösen galt, sondern dass wir uns plötzlich im Mittelpunkt der ganzen menschlichen Wesenheit befanden.“
(Clara Schlaffhorst, Hedwig Andersen: „Atmung und Stimme“, S.7,Möseler Verlag, 1928)
Clara Schlaffhorst und Hedwig Andersen erforschten den dreiteiligen Atem- und Lebensrhythmus als Grundprinzip alles Lebendigen (wie z.B. ankommende Meereswellen am Strand oder Flossenbewegungen von Fischen als dreiteilige Bewegungen beobachtet werden können) und übertrugen diese Erkenntnisse auf Atem- und Bewegungsformen von Kofler. Durch die tägliche Erforschung der natürlichen Atmung wurde dieser natürliche Lebensrhythmus für sie zum Lebensprinzip. Sie entwickelten die fünf Regenerationswege, die uns heute als Grundprinzipien für alle Übungsformen in der Arbeit an Atmung und Stimme zur Verfügung stehen.
Anfang des 20. Jh. erkannten viele Ärzte die Wirksamkeit der Arbeit von Clara Schlaffhorst und Hedwig Andersen und deren positive Auswirkungen auf den gesamten Organismus. Atemtherapie wurde ärztlich verordnet z.B. gegen „Bleichsucht, allgemeine Nervosität, speziell nervöse Herz- und Magenleiden, Lungenleiden, Asthma, Verdauungsstörungen“ und zur „Wiederherstellung kranker, durch Überanstrengung und unnatürliche Atmung verdorbener Stimmen empfohlen. (so heißt es auf einem Plakat der beiden aus Berliner Zeiten, s.“Chronik der Schule Schlafhorst-Andersen“, S. 28, Verlag: Freundeskreis der Schule Schlaffhorst-Andersen; Auflage: 1. , 1994).
Clara Schlaffhorst und Hedwig Andersen siedelten von Berlin um nach Rotenburg und arbeiteten dort in noch größerem Rahmen mit Kindern und Erwachsenen.
In der damaligen Zeit der 20er und 30er Jahre befruchteten sich verschiedene Strömungen aus Wissenschaft, Kunst und gesellschaftlichem Zeitgeist gegenseitig. 1926 trat die „Rotenburger Schule für Atmungs-, Sprech- und Gesangskunst“ mit der Veranstaltung der „Rotenburger Woche“ an die Öffentlichkeit. Auf dieser Arbeitswoche gab es Vorträge von Ärzten, Gelehrten aus verschiedenen Disziplinen und von Künstlern. Sie referierten über die Bedeutung der Arbeit von Schlaffhorst und Andersen für die damalige Heilkunst, über Parallelen zur Kunst und über neue wissenschaftliche Erkenntnisse und deren gesellschaftliche Bedeutung. Die Vorträge wechselten sich ab mit gemeinsamen Übungen, z.B. einem Sprechchor, rhythmischen Stunden, Einzelgesang und Arbeitsdemonstrationen von Clara Schlaffhorst.
Es nahmen rund 200 „Freunde der Rotenburger Arbeit“ an der Rotenburger Woche teil. 1928 erschien in Leipzig sogar ein Buch als Dokumentation dieser Woche mit dem Titel „Die Rotenburger Woche“.
Um die Schule in ihrer Weiterentwicklung, nicht nur finanziell, zu unterstützen wurde die „Gesellschaft der Freunde“, der heutige „Freundeskreis der Schule Schlaffhorst- Andersen e.V.“ auf der Rotenburger Woche gegründet. Der Freundeskreis war bis 1977 Trägerverein der Schule. Der Freundeskreis hat sich zur Aufgabe gemacht, das Werk Schlafhorst-Andersen zu pflegen und weiterzugeben.
Der Standort der Schule wechselte bis zum Ende des Krieges noch mehrmals. Mit dem Tod von Clara Schlaffhorst im Jahr 1945 schloss die Schule vorerst. Wiedereröffnet wurde sie nach dem Krieg 1949 mit Einverständnis der noch lebenden Hedwig Andersen von ehemaligen Schülerinnen von ihr und Clara Schlaffhorst in Lieme bei Lemgo. Hedwig Andersens wünschte sich: „eine jede Generation unserer Schüler muss unsere Gedanken auf ihre eigene Weise neu in sich leben und gestalten.“ (aus Testament v. H. Andersen)
Aus finanziellen Gründen wechselte der Standort abermals. Die Trägerschaft übernahm 1977 das Christliche Jugenddorfwerk Deutschlands. Der heutige Standort der CJD Schule Schlaffhorst Andersen ist Bad Nenndorf bei Hannover. War die Schule seit ihren Anfängen in Berlin und Rotenburg bisher eine unabhängige Privatschule, bekam sie Ende der 60er Jahre die Anerkennung als private Ergänzungsschule und ordnete sich damit bestimmten offiziellen Auflagen unter. Die Entwicklung führte in den 80er Jahren weiter zur staatlich anerkannten Ersatzschule, d.h. zu einer Berufsfachschule. Die AbsolventInnen heißen seitdem: „Staatlich geprüfte Atem-, Sprech- und Stimmlehrer/in“ (Schlaffhorst-Andersen).
Wenig später erfolgte im therapeutischen Arbeitsbereich die Zulassung der Krankenkassen für Atem-, Sprech- und Stimmlehrer/innen als Heilmittelerbringer für Sprach-, Sprech- und Stimmtherapie.